Zitat:
Nein. Radikal wäre, das Elterngeld endlich sozial-gerecht zu machen. Warum ist die Fürsorge der einen Frau für ihr Baby gar nichts wert und die der anderen 1800 Euro? Aber nicht nur der Staat muss umdenken – Mütter und Frauen mit Kinderwunsch müssen es auch.
Der Link war, denke ich, original nicht drinnen.
Das ist halt der Punkt: Man skaliert die Ausgaben mit dem Einkommen und wundert sich dann, dass nix übrig bleibt.
Man kommt mit €1500 durch, wenn man muss. Besonders als Student ist das teils sogar recht viel Geld. Ich hab als Student zusammen mit meiner Partnerin für €800/Monat gelebt. Ist jetzt ~10 Jahre her, laut Inflationsrechner wären das ~€1100 heute. Wenn dann das Gehalt hoch geht, passt man seine Ausgaben entsprechend an. Dann zieht man in eine größere Wohnung, holt sich ein Auto und schaut beim Einkaufen nicht mehr aufs Geld. Plötzlich sind dann auch €3700 am Ende des Monats weg.
Der Effekt hört da aber nicht auf. Bei €5000 oder €8000 im Monat findet sich auch noch genügend, wo man das Geld versenken kann. Dann fährt man keinen alten Dacia mehr, sondern leistet sich einen neuen Tesla. Das Handy wird vom €200-Billig-Gebrauchtteil zum €1500 Falthandy. Die Impulskaufschnäppchen sind dann nicht mehr €100 mal eben irgendwas, sondern €4000 für ein cooles Gadget. Statt beim Einkaufen nicht mehr aufs Geld zu schauen, schaut man beim Essen gehen / Bestellen nicht mehr aufs Geld.
Und dein Link deckt das auch. Selbst in der Kategorie €5000+ Netto / Monat bleibt nicht viel am Ende des Monats übrig. Aber nicht deswegen, weil €5000 wenig sind, sondern weil die Leute das mit erhöhtem Konsum kompensieren.
Ist natürlich anekdotisch, aber ein ehemaliger Chef von mir war ein gutes Beispiel. Wir haben da regelmäßig solche Diskussionen gehabt, wo wir z.B. über Sushi-Restaurants reden, und da sagt dann mein Chef, dass die “billigen Sushirestaurants” alle Mist sind. Er fliegt mehrmals im Jahr nach China und geht dort beim Sukiyabashi Jiro essen, und das ist für ihn der Standard für akzeptables Sushi. Kostet halt ~€500 pro Mahlzeit dort. Oder wir reden über Fleisch, und er meint, nur Fleisch vom Kobe-Rind ist gut, alles Andere ist Mist.
Und so schafft man auch mit €15k Netto/Monat sein Geld wieder los zu werden.
Klar, bei genügend Gehalt kommt man an den Punkt, wo man sich jeden Tag zum Pendeln einen neuen Supersportwagen holen kann, und das Geld trotzdem nicht weg kommt, aber wenn erst das als “reich” definiert wird, dann ist auch was schief.
In dem Link ist zu sehen, dass die durchschnittlichen Konsumausgaben für die Einkommenskategorie 3.500€ - 5.000€ bei 2.965€ liegen. Wenn das Geld, was übrig bleibt zum Sparen aufgewendet wird, legen die Leute in so einer Kategorie 535€ - 2035€ zurück. Das ist eine Sparquote (bei dem Einkommensband) von 15% - 40%. Ist das für dich, gerade mit Blick auf das Ende des Einkommensband eine schlechte Sparquote? Ist das für dich ein verschwenderischer Lebensstil?
Naja, da die obere Grenze fehlt, kann ich nicht wirkliche Rückschlüsse ziehen. Trotzdem haben wir hier eine minimale Sparquote (bei 5.000€) von 12%. Das ist natürlich bei 5.000€ extrem wenig, bei 10.000€ sieht es dann wieder anders aus. Ist hier sehr schwierig zu interpretieren, da es keine zusätzlichen Daten gibt.
Ich hab als Student an zwei Orten leben müssen und habe am Anfang mit 700 Brutto (+300 Euro vor Ort Bonus durch die Firma) zurecht kommen müssen. War’s knapp? Klar. War’s möglich? Ja! Musste halt sehr kreativ werden.
Ich finde das Signal nur sehr schwierig, weil gefühlt liest sich das gerade überall so, als ob die Leute selber schuld sind, dass sie sich mit mehr Einkommen eine größere Wohnung geholt haben. Und ich glaube, dass bis auf Ausnahmen der Großteil der Menschen ähnlich handeln würden (sieht man ja auch schön an den durchschnittlichen Ausgaben).
Es geht nicht darum zu kritisieren, dass mit höherem Einkommen die Ausgaben anziehen.
Es geht eher darum, dass mit höherem Einkommen irgendwie das Gefühl auf ein Anrecht auf diese Ausgaben bleibt, selbst wenn das Einkommen mal zurück geht.
So hier auch beim aktuellen Thema: Eine Familie mit €150k Haushaltseinkommen könnte ohne Weiteres von der Hälfte davon gut leben. Wollen sie aber nicht, weil sie diesen hohen Standard gewohnt sind. Deswegen jammern sie jetzt, dass ihnen das Elterngeld gestrichen wird, weil sie dadurch in eine niedrigere Einkommenskategorie fallen und damit etwas mehr sparen müssen.
Gehen wir von dem Extremfall aus: Die beiden Eltern verdienen vor der Geburt jeweils exakt €75k an versteuerbarem Einkommen, also brutto ~90k je. In diesem Fall würden sie ohne Elterngeld dann in der Karenz €90k Brutto als Familieneinkommen übrig bleiben. Das ist rund 3.5x das Medianeinkommen in Deutschland.
Da kann man jetzt nicht gerade sagen, dass dieses Einkommen auf irgendeine Weise knapp ist. Außer man versteht nicht, dass Ausgaben mit dem Einkommen skalieren mögen, es aber anders rum nicht so ist (Einkommen wird nicht dadurch höher, dass man mehr ausgibt).